Spaziergang durch die Böblinger Stadtgeschichte

Von Dr. Alfred Hinderer

Gäubahn

Die Geschichte der Gäubahn

Im Jahr 1845 fuhr der erste Zug von Cannstatt nach Untertürkheim, damals noch mit einer englischen Lokomotive. Das Königreich Württemberg wünschte und initiierte eine eigene Entwicklung und Produktion. Im Jahr 1846 gründete daraufhin der Ingenieur Emil Kessler eine Fabrik für Dampflokomotiven, Triebwagen, Standseilbahnen, Straßenbahnen und Eisenbahnwagen in Cannstatt und verlegte sie 1913 nach Mettingen bei Esslingen.

Der Eisenbahnbau war ein enormer Vorteil nicht nur für das Reisen der Bevölkerung sondern auch eine wichtige Voraussetzung für die Industrialisierung. Die neuen Dampfmaschinen benötigten immense Mengen an Kohle, und die Industriebetriebe konnten ihre Rohstoffe damit leichter beziehen und ihre Erzeugnisse besser verschicken.

Die Begeisterung in der Bevölkerung für das neue Eisenbahn war enorm. Schon 1846 wurde die Bahnlinie nach Stuttgart verlängert, und 1850 waren die Nordbahn bis Bietigheim und Heilbronn und bald auch die Südbahn über Ulm bis Friedrichshafen fertig.

Nur Böblingen lag im Abseits. Seit 1864 setzte sich Otto Elben, der Herausgeber des „Schwäbischen Merkur“, intensiv für eine Eisenbahn nach Böblingen und weiter nach Eutingen und Freudenstadt ein, aber das Ständehaus und der Landtag in Stuttgart waren sich über die Linienführung einer Gäubahn uneins. Die direkte Trassenführung bedeutete ein kompliziertes Brückenbauwerk am Nordbahnhof, einen steilen Anstieg entlang des Talkessels, der eine zweite Lok erforderte, und am Hasenberg wegen des Knollenmergels einen stabilen Unterbau und mehrere Tunnels. Auch waren die Grundstückspreise an den Hängen in der Gründerzeit nach 1871 schon stark angestiegen.

Mit diesen Gegenargumenten setzte sich der zuständige Minister Freiherr von Varnbühler durch, und die Trasse wurde über Zuffenhausen und Leonberg nach Calw geführt. Dort verzweigte sie sich nach Süden in Richtung Freudenstadt zur Weiterführung durchs Kinzigtal nach Straßburg sowie nach Norden nach Pforzheim mit Anschluss nach Wildbad und ins Badische. Die neue Schwarzwaldbahn brachte dem Bäderbetrieb in Wildbad und den Hotels im Schwarzwald großen Aufschwung.

Aber die Gäubahn Befürworter geben nicht auf und konnten den Landtag schließlich von ihrer zweiten Streckenführung überzeugen. Und auch die badische Regierung mischte sich ein und machte Druck für eine direkte Anbindung von Stuttgart ohne Umweg nach Norden. 1874 wurde der Trassenbau beschlossen und 1879 der Betrieb aufgenommen.

1910 wurde die Ammertalbahn von Herrenberg nach Tübingen fertiggestellt. Im gleichen Jahr wurde auch die Strecke vom Böblinger Bahnhof nach Weil im Schönbuch begonnen und 1911 bis Dettenhausen weitergebaut mit der Option, sie bis Tübingen weiterzuführen. Die Personenbeförderung wurde 1966 aufgegeben und als Schönbuchbahn 1996 wieder aktiviert. Die Abzweigung vom Schönaicher First nach Schönaich wurde im Jahr 1922 gebaut und 1954 wieder eingestellt.

Die Trasse von Herrenberg nach Horb war schon 1932 zweigleisig ausgebaut worden, aber die Franzosen bauten nach 1945 das zweite Gleis ab und nahmen es als Reparationsleistung mit. Bis heute wurde es nicht wieder hergestellt und verlangsamt seitdem die Verbindung zum Bodensee und in die Schweiz.