Der Sindelfinger Schwätzweiberbrunnen und die historische Marktbrunnenleitung

(Quelle: Schwäbischer Heimatkalender 2015, Seiten 72 - 74; Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart)

Von Dr. Alfred Hinderer

Sindelfingen liegt etwa 15 km südwestlich von Stuttgart. Die Stadt ist den meiDer Sindelfinger Schwätzweiberbrunnen und die historische Marktbrunnenleitungsten Menschen in erster Linie als eine bedeutende Industriestadt bekannt. Aber nur wenige Schritte vom Marktplatz entfernt kann man die historische Altstadt mit ihren engen Gassen, dem mächtigen Fachwerkrathaus und vielen schönen Fachwerkhäusern aus dem Spätmittelalter erleben, Teile der Stadtmauer sind noch erhalten. Im Jahr 2013, zum 750-jährigen Jubiläum der Stadtgründung im Jahr 1263, wurde Sindelfingen Mitglied der Deutschen Fachwerkstraße.
Zwei Jahrhunderte älter als die Stadt ist das ehemalige Chorherrenstift, das auf einer Anhöhe oberhalb der Stadt steht. Die romanische Martinskirche mit dem weithin sichtbaren Turm wurde bereits im Jahr 1083 geweiht. Von den Sindelfinger Chorherren wurde 1477 im Auftrag von Graf Eberhard III. und seiner Mutter Mechthild die Universität Tübingen gegründet. Im Stiftsbezirk sind noch die ehemalige geistliche Verwaltung und einige Chorherrenhäuser erhalten. Der Stadtgeschichtliche Weg führt die Besucher durch den Stiftsbezirk und die Stadt. Bronzetafeln an den einzelnen Gebäuden erzählen ihre Entstehungsgeschichte und die ihrer Erbauer.

Die Schwätzweiber

Die Schwätzweiber

Eine der zahlreichen Sehenswürdigkeiten in der Stadt ist der Schwätzweiberbrunnen. 1927 stiftete Mina Zweigart, die Witwe des Firmengründers der bekannten Jacquard-Weberei Zweigart & Sawitzki, ein neues Standbild für den Marktbrunnen. Frau Zweigart war eine große Mäzenin und wurde schließlich für ihren Einsatz Ehrenbürgerin von Sindelfingen.
Das Brunnenstandbild wurde von Prof. Josef Zeitler aus Stuttgart entworfen und vom Sindelfinger Steinmetz Robert Friedrich Schäfer ausgeführt. Auf der Brunnensäule stehen zwei Frauen. Eine Katze schmiegt sich schnurrend an die beiden. Die linke Frau hat eine gemusterte Schürze umgebunden und trägt ein Kopftuch, das vorne geknotet ist. Sie hört der anderen Frau verschmitzt lächelnd zu. Diese hat ebenfalls eine Schürze umgebunden. Sie ist etwas größer und hager und hat ihre Haare zu einem strengen Knoten zusammengebunden. Über dem linken Arm trägt sie einen Korb. Aus ihm schaut ein Hahn heraus, den sie eben auf dem Markt gekauft hat. Damit er ihr nicht entkommen kann, hält sie ihn an den Schwanzfedern fest. Sie sagt der anderen Frau ins Ohr: „0 dass Gott erbarm' denk dr no was saischt au do der zua" (0 dass Gott erbarm; denk dir nur, was sagst auch du dazu?)

Unterhalb der beiden Figuren befinden sich am Säulenschaft vier Köpfe, die die vier Temperamente symbolisieren, den Melancholiker, den Choleriker, den Sanguiniker und den Phlegmatiker (nach Klaus Philippscheck, „Kultur am Stift"). Zwischen den Köpfen stehen vier Sinnsprüche: „Denk u. tue dös gibt a Ruhe!" (Denke und tue, das gibt einem Ruhe) / „Isch oam alles gleich der wut et reich" (Ist einem alles gleich, der wird nicht reich) / „Eibildung u. Saus! dös isch a Graus!" (Einbildung und Verschwendung das ist ein Graus) / „Arbeit und lache! dös gibt a Sache" (Arbeiten und lachen! das gibt eine Sache). An der Rückseite zeigt sich ein Schild mit dem Sindelfinger Wappen, den württembergischen Hirschstangen mit einem Kreuz, darunter findet sich die Jahreszahl 1927 und daneben das Steinmetzzeichen Z.

Der Schwätzweiberbrunnen heute

schwaetzweiberbrunnen

Die beiden Schwätzweiber stehen nicht nur in Stein gemeisselt auf der Brunnensäule, sondern sie treten als s'Mariele und d'Kaddreene — von den beiden Sindelfingerinnen Sabine Duffner und Gudrun Hornickel verkörpert — auch öffentlich auf und ernten für ihre netten, schwäbisch lokal-patriotischen Späße immer großen Applaus.
Und als Karikatur in der Sindelfinger Zeitung flüstert das eine Schwätzweib dem anderen spöttische Kommentare über aktuelle Begebenheiten in der Stadt und übereinander ins Ohr.

Z.B. sagt die eine:
Heut Mittag gang I uff dr Handwerker Märkt am Schaffhauser Platz,
antwortet die andere: So isch recht. A bissle Schliff ond Politur ka au Dir überhaupt net schade.